Die in TopoAkustiko[1] verwendete topographische Notation
An jeder Kreuzung, A-1 bis A-8, B-1 bis B-8…, H-1 bis H-8, sitzt ein Instrumentalist.
Es sind 28 Geigen, 16 Bratschen, 12 Celli, 8 Kontrabässe, die nach folgenden Ordnungen I, II, III, IV, im Orchester sitzen.
Der Abstand zwischen A-1 und B-1 ist die Zeitdauer für A-1 (z.B. 2/4, wenn (ein Viertel) = 60, also 2 Sekunden): Der Punkt A1 ist für den Instrumentalisten A1 die Nullzeit des Taktes, der Punkt B1 ist für ihn die Endzeit des Taktes. Der Abstand zwischen B-1 und C-1 ist die Zeitdauer für B-1: Der Punkt B1 ist für den Instrumentalisten B1 die Nullzeit des Taktes, der Punkt C1 ist für ihn die Endzeit des Taktes. Diese beiden Abstände sowie die entsprechenden Stellen für alle anderen haben gleiche Zeitdauer. Es ist also für alle nur ein Takt.
Beschreibung: H-8 beginnt mit dem ersten Ton einer Septole. Es folgt dann nach links der zweite Ton (2-7) bei G-7, der dritte (3-7) bei F-6, usw. B-2 spielt den siebten Ton (7-7) der Septole. In gleichem Rhythmus geht es noch zum Nächsten nach links, wo A-1 den ersten Ton einer Oktole spielt, B-2 den zweiten Ton der Oktole, usw. H-8 spielt den achten Ton der Oktole. Hier hören wir/sehen wir wie sich ein Klang/eine Bewegung (um einen Klang zu produzieren, muß sich der Instrumentalist bewegen) von rechts nach links und umgekehrt, diagonal bewegt.
Es gibt auch ein zweites Ereignis. E-8 beginnt mit dem ersten Ton einer Septole und E-1 mit dem ersten Ton einer Oktole. Diese beiden Ereignisse finden gleichzeitig statt.
Alle möglichen Gestalten, die mit 64 quadratisch geordneten Punkten zu zeichnen sind, können hier_ mit einer Zeitdauer versehen_ ‘komponiert’ werden. Sie können statische oder bewegliche Gestalten sein, auch in Form von Buchstaben, die sich zu Wörtern und Sätzen ordnen lassen.
Über die traditionelle Notation hinaus, wo Tonhöhe und Zeitdauer angezeigt sind, vermittelt die topographische Notation auch eine optische Information: Die topographische Notation ist eine traditionelle Notation, der eine räumliche Dimension zukommt. Auf dem Papier stehen nicht nur klingende Gestalten, sondern auch bewegliche Gestalten.
Um diese Notation dirigierbar zu machen, muß die Gleichzeitigkeit vertikal notiert werden. Die Topographische Notation_ zum Komponieren unentbehrlich_ wird daher in ihre optischen und akustischen Dimensionen zerlegt. Eine graphische Darstellung gibt Information über das optische Geschehen, das aus Instrumenten besteht, die es hervorrufen. Jedem optischen Geschehen kommt eine entsprechende akustische Information (die Noten) zu. Der Dirigent hat in der Partitur das genaue Abbild wie die Musiker in Wirklichkeit vor ihm sitzen, und das genaue optische Geschehen, wie sich dies beim Spielen ereignet.
Das Publikum sitzt schräg erhöht, um die optischen Abläufe wahrnehmbar zu machen.
Der Platzwechsel geschieht ruhig und langsam_ man bewegt sich wie an einem ‘heiligen’ Ort_ es hat auch einen stereotypischen Charakter. Ein Regisseur soll die Instrumentalisten anweisen. Die Art und Weise wie sich die Instrumentalisten beim Platzwechsel bewegen, hat eine nicht zu unterschätzende Funktion. Das Verhalten des Dirigenten während des Platzwechsels ist nicht anders als wenn er dirigiert_ nicht ‘relaxed’: durch Platzwechsel darf keine ‘Zäsur’ entstehen: das einheitliche Ganze nicht zersplittern!
Die Stühle, welche die Kontrabassisten benutzen, sollen mit einer einfach zu handhabenden (klappbaren) Vorrichtung, welche die normalen Stühle zu Kontrabass-Stühlen umfunktionieren lassen, ausgestattet sein.
Aufführung: Erst kommt der Dirigent (und achtet darauf, daß die Musiker die richtigen Plätze einnehmen). Dann kommen die Kontrabässe. Sie nehmen Platz und beginnen zu stimmen. Kurz danach kommen die Bratschen. Nachdem sie Platz genommen und zu stimmen begonnen haben, kommen die Celli. Unmittelbar nachdem sie Platz genommen haben, kommen die Geigen. Eine Weile nachdem alle stimmen, klopft der Dirigent an das Dirigentenpult, worauf die Musiker zu stimmen aufhören, und er beginnt zu dirigieren.
Die Musiker nehmen die Noten nicht mit. Wo sie hingehen, finden sie ihre Stimmen auf dem Pult. Zum Beispiel, ein Pult hat die Stimmen für eine Geige im ersten, einen Kontrabass im zweiten, ein Cello im dritten, und eine Bratsche im vierten Satz. Jeder Instrumentalist bekommt noch extra eigenes Stimmenmaterial, das er zum Einstudieren mitnehmen kann.
Aus dem Stimmenmaterial läßt sich nicht erkennen, daß eine räumliche Dimension mitkonzipiert ist. So etwas wie ein ‘Verständnis’ für die topographische Notation ist für die Instrumentalisten nicht erforderlich. Die räumliche Dimension ist gleichsam ein Meta-Phänomen, das in Erscheinung tritt, sobald die Musiker zu spielen beginnen.
[1]TopoAkustiko, Symphonie für 64 Saiteninstrumete in 4 Sitzordnungen, wurde im Herbst 1971 in Wien komponiert. Das Stück gehört zu meinem sechsteiligen Topo-Zyklus: TopoOptiko für 5 unbestimmte Instrumente auf karierter Bühne; TopoOstinato oder Urbegegnung für großes Orchester; TopoKinetiko, a visual opera, for 25 instruments and 75 seats; TopoKredo, Bühnenessay für Streichquartett und einen Schauspieler (Text, KredOde, von mir); TopoIntervals for 26 instruments. Diese Arbeiten haben alle eine räumliche Dimension als einen selbständigen Parameter, der auch jeweils eine gebührende Darstellung verlangt.