Carl Friedrich von Weizsäcker
Im Jahre 1949 als sich Weizsäcker in Amerika aufhielt, wurde er “vom lutherischen Studentenpfarrer” eingeladen “mit seinen Studenten zu reden”. “Wir waren”, so Weizsäcker, “fünfzehn Menschen oder zwanzig in einem kleinen Raum, und ein sehr nettes junges Mädchen_ eine Studentin_ fragte mich: ‘Well, Professor, tell me_ sagen Sie mir, wie alt ist die Welt?’ Ich war damals Astrophysiker und sagte: ‘Nun, wir schätzen vielleicht fünf Milliarden Jahre, es könnten aber auch zehn Milliarden Jahre sein’… ‘Ah so, also sind Sie kein Christ’._ ‘Wieso?’ Ich verstand nicht. ‘Wieso?’_ ‘Ja, Sie glauben ja nicht an Gottes Wort’._ ‘Wieso?’_ ich verstand es immer noch nicht. Da sagte sie: ‘Man kann doch aus dem Alter der Patriarchen ausrechnen, wann die Schöpfung gewesen ist. Sie ist vor nicht ganz 6000 Jahren gewesen. Sie aber reden von Milliarden von Jahren. Sie glauben nicht an Gottes Wort, denn die Bibel ist Gottes Wort and sagt, daß die Welt vor 6000 Jahen erschaffen ist’.
Weizsäcker “möchte natürlich die Ernsthaftigkeit eines Bemühens achten, das Wort Gottes als Wort Gottes zu verstehen”, und beteuert: “Wir wissen nicht einmal_ wir können nicht einmal beweisen, daß die Welt nicht 6000 Jahre alt ist… Bitte_ ich will eigentlich damit nicht ironisieren, ich will nur sagen, es gibt Dinge, die man so streng gar nicht beweisen kann. Einiges, die Vergangenheit nämlich, ist uns nicht mehr zugänglich… So einfach ist das nicht… Der Pfarrer war mir dankbar. Er hat mir nachher gestanden, er habe mich eingeladen, damit ich das seinen Studenten erzähle” (Carl Friedrich von Weizsäcker: Bewußtseinswandel, Carl Hanser Verlag, 1988, Seiten 199-200).
“Ganz gewiß_ ich habe selbst damals über die Entstehung des planetensystems gearbeitet_, daß unsere Erde ziemlich genau 41/2 Milliarden Jahre alt ist, das wissen wir schon, das können wir sehr gut belegen” (Seite 201).
Über das Buch Genesis: “Das ist ein würdiger Text, ein ehrwürdiger Text, würde ich sagen. Es ist ein wohlgebauter Text. Er ist hell-rational, alles sorgfälltig abgewogen… In 6 Tagen hat man 8 verschiedene Schöpfungswerke gezählt, in einem gewissen Rhythmus: 1-1-2, 1-1-2… Es ist eine wohlgeordnete, nüchterne und zugleich feierliche Sprache. So klingt mir das…” (Seite 198).
Uns klingt es aber als das quantifizierede Ur-Übel. Durch die Profanierung/Entwürdigung des Seins durch das Buch Genesis, durch das Gottes Wort, ist auch die Würde des Menschen antastbar geworden.
“Jener biblische Text hat in wunderbarer Weise davon [von der Schöpfung] gesprochen… Die heutigen Naturwissenschftler haben es nicht fertiggebracht, von dem, worum es hier geht, besser zu reden. In diesem Sinne halte ich Treue zur biblischen Schöpfungsgeschichte [‘das christliche Wort Glauben… heißt Zuversicht, Treue, Vertrauen. Es heißt nicht, eine Behauptung für wahr halten!’ (derselbige Weizsäcker)]” (Seite 215).G.W.F. Hegel (Philophie der Geschichte, Reclam): ‘Das Große der christlichen Religion… Sie ist… für jede Stufe der Bildung und befriedigt zugleich die höchsten Anforderungen” (Seite 456), wie die des Professor Weizsäckers.
“Daß die Vereinheitlichung des Ichs” im Prozeß der Reifung_
die “ambivalente[n] Gefühlseinstellungen… beim kleinen Kinde [existieren] nebeneinander, ohne daß die eine die ihr entgegengesetzte in ihrem Ausdruck stört… Im Fortschritt der Entwicklug vom Kinde zum reifen Erwachsenen kommt es… zu einer immer weitergreifenden Integration der Persönlichkeit, zu einer Zusammenfassung der einzelnen, unabhängig voneinander in ihr gewachsenen Triebregungen und Zielstrebungen”_,
so Freud, “Störungen erfahren kann
[“Wir wissen nicht einmal…, daß die Welt nicht 6000 Jahre alt ist’. ‘Unsere Erde [ist] ziemlich genau 41/2 Milliarden Jahre alt…, das wissen wir schon, das können wir sehr gut belegen’; ‘vielleicht fünf Milliarden Jahre, es könnten aber auch zehn Milliarden Jahre sein’]…,
zeigen vielfache, sehr bekannte Beispiele, wie das der Naturforscher, die bibelgläubig geblieben sind” (Freud, Fischer 10452, Seite 43).
Der Titel seines Buches, wofür er auch predigt, ist ‘Bewußtseinswandel’. Weizsäcker: “Viel schwieriger ist es mit den tiefen, treibenden Faktoren unserer kulturellen Entwicklung. Und diesbezüglich haben ja schon kluge Leute im 19. Jahrhundert gesagt, daß diese Entwicklung vermutlich einen katastrohpalen Weg geht… Viele Leute haben gewußt, daß da tiefe Probleme liegen”.Weizsäcker sagt, daß er nicht weiß, “wie die Ereignisse, die kommen werden, unsere Kultur verändern werden. Und da ich das nicht weiß, weiß ich nicht, wie man hinterher über das reden wird, was da jetzt betrieben wird. Aber man wird wahrscheinlich doch sagen, daß diese Leute ziemlich verrückt waren” (Seiten 337-338).